Pferde nach Krankheit oder Verletzungspause aufbauen
12.01.2018
Wir alle kennen das Problem: nach längerer Verletzungspause soll das Pferd wieder antrainiert werden. Natürlich ohne einen Rückfall zu erleiden, z. B. nach einem Sehnenschaden. Nur wie anfangen? Grundsätzlich sollten gerade die ersten Schritte in enger Zusammenarbeit mit dem behandelnden Tierarzt abgestimmt werden. Aber danach? Leider ist es oft so, dass eine Zeitlang geführt oder Schritt geritten wird und sobald der Tierarzt grünes Licht für „normale Arbeit“ gibt, werden viele Pferde relativ schnell wieder so bewegt, wie vor der Verletzungspause. Und genau da ist Vorsicht geboten! Ich spreche nicht von einer kleinen Pause von 3-4 Wochen. Nach solch einer kleinen Ausfallzeit kann recht bald (natürlich je nach Ausfallgrund!) zum normalen Pensum zurückgekehrt werden. Aber bei einem längeren Ausfall verringern sich Kondition und muskuläre Stärke enorm. Und der Muskelaufbau dauert um einiges länger als der Muskelabbau.
Eine Daumenregel aus dem Galoppsport besagt: Ein Tag Ruhe bedeutet zwei Tage Aufbautraining. Für jeden weiteren Monat Pause muss man mindestens einen Monat Training anrechnen.
Wie lange es tatsächlich braucht, bis das Pferd wieder fit ist, hängt natürlich auch von anderen Faktoren ab. Was war der Grund für den Ausfall, handelt es sich um ein jüngeres oder älteres Pferd, hatte es komplette Boxenruhe oder wohnt es in einem Offenstall, hat es eine gute oder eine schlechte Grundkondition, wieviel Zeit kann der Pferdebesitzer z. B. für zusätzliche Schrittkonditionierung aufbringen etc. Ein häufiger Fehler ist es, zu viel und zu schnell wieder anzufangen, damit das Tier möglichst bald wieder „richtig“ ans Laufen kommt. Dabei überschätzt man oft, wie lange nicht nur die Muskulatur, sondern auch Sehnen und Bänder nach einer langen Pause brauchen, bis sie wieder voll belastbar sind. Und oft ist man so froh, endlich wieder loslegen zu können, dass man die Leistungen zu schnell steigert und wichtige Pausen, die das Pferd physisch und auch psychisch benötigt, außer Acht lässt. Gerade beim Muskelaufbau ist es wichtig, Erholungsphasen einzubauen, um der Muskulatur keine dauerhaften Schäden zuzufügen.
Voraussetzung für den sinnvollen Aufbau von Muskelgewebe ist eine langsam zunehmende Beanspruchung, eine gute Durchblutung und ausreichende Sauerstoffversorgung des Körpers, angepasste Fütterung und natürlich Schmerzfreiheit. Nur dann ist ein Muskel in der Lage, die für ihn vorgesehene Aufgabe zu erfüllen.
Ein allgemeingültiger Trainingsplan kann hier leider nicht vorgegeben werden, dieser sollte unbedingt individuell auf das Pferd abgestimmt sein. Aber beispielsweise kann dreimal die Woche (nicht unbedingt an aufeinanderfolgenden Tagen) gezielt gymnastiziert werden, zweimal leicht gearbeitet werden (evtl. Gelände), einmal Longieren und ein Ruhetag. Zusätzlich empfiehlt es sich, nach einer längeren Ausfallzeit bzw. gerade einer Verletzungspause, das Pferd einmal physiotherapeutisch oder osteopathisch durchchecken zu lassen. Auch der Sattel sollte kontrolliert werden, da sich das Pferd im Rücken sicherlich verändert hat. Natürlich macht es keinen Sinn, auf einen unbemuskelten Rücken den Sattel anzupassen. Zur Überbrückung kann hier evtl. ein entsprechendes Korrekturpad helfen, welches den Muskelaufbau zulässt. Nach einer Weile sollte aber auch der Sattel nochmal geprüft werden.
Wenn man ein paar grundsätzliche Dinge beherzigt und vom Pferd nichts verlangt, was man nicht selber leisten könnte (von uns Zweibeinern käme niemand auf die Idee, nach mehrmonatigem Ausfall nach kurzer Zeit einen Halbmarathon laufen zu wollen), kann bei der Reha eigentlich nicht viel schiefgehen.